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pa shan hu
or "Two tigers climb a mountain that seems to have nothing to eat." for solo voice A scenic hiking song for Helēna Sorokina 27th of January, Alte Schmiede Vienna Helēna Sorokina, voice (alto) Es könnte ein Lied sein, das der mit übernatürlichen Kräften ausgestattete Pilger und Affenkönig Sun Wukong auf seiner „Reise in den Westen“ gesungen hat. In dem gleichnamigen Roman aus dem 16 Jhdt. muss er den etwas anstrengenden Mönch Tripitaka beschützen, der regelmäßig auch in die offensichtlichsten Fallen menschenfressender Dämonen stolpert. Je weiter sie in den Westen kommen, desto öfter ist er mit Gegnern konfrontiert, die der Kunst der Verwandlung und Täuschung mächtig sind. Einer der Tiger hier scheint auch so ein Dämon mit Verwandlungskünsten zu sein. Es stellt sich heraus, dass es eine dämonische tigerfressende Schlingpflanze ist: Die Dreispitzige Jungfernrebe (oder auch „Mauerkatze“ genannt), ein wilder Wein, der ganze Wände hochklettert und zudeckt. Sie wird auf Chinesisch „pa shan hu“ genannt, wörtlich übersetzt etwa „Tiger, der auf einen Berg klettert“. In meiner kleinen Geschichte lockt diese verwandelte Pflanze umherstreunende Tiger auf einen Berggipfel, um sie dann dort zu fressen. Beim Aufstieg versucht der dämonische Tiger ein pentatonisches Liedchen zu singen, aber die Melodik wirkt gezwungen und etwas daneben, so als würde er hinkend versuchen ein Volkslied nachzumachen ohne je wirklich eines gelernt zu haben. Er kann sich nicht genug von der soeben erst gelernten gesprochenen Sprache (und den vier Tönen des chinesischen) lösen, um melodiös fließende Linien zu singen. Wenngleich sich noch ein paar falsche „Töne“ eingeschlichen haben. Der echte Tiger singt gleichzeitig „liang zhi laohu“ - die chinesische Version von „Frère Jacques“, die anstatt von Bruder Jakob von zwei Tigern handelt. Die Kletterpassagen werden durch kurze dialogische Pausen unterbrochen. Die Tiger erzählen sich von früheren Klettertouren oder versuchen sich in Meditation. Auch diese Pausen basieren immer auf den beiden Liedtexten, diese werden neu gedeutet und szenisch aufgeladen. Je höher sie den Berg erklimmen, die Pausen länger, die Lieder langsamer und beide Kletterer müder werden, desto mehr wächst die Spannung und das Misstrauen zwischen den beiden. Der immer gieriger werdende Dämonentiger schleicht sich an seine Beute heran, seine Intervalle werden immer kleiner und geduckter. Der echte Tiger bleibt bei seinen Intervallen, weiß nun aber, dass etwas nicht stimmt. Am Gipfel singt der Dämonentiger eine kurze Verwandlungsmelodie, zeigt sein wahres Gesicht und… Beim Abstieg singt er die Melodie rückwärts und verwandelt sich wieder in einen Tiger. In meiner Wahrnehmung bekommt durch Singen jede Sprache den Charakter einer Fantasiesprache. Das ist eine der Qualitäten von Gesang; er öffnet die Sprache für weitere Assoziationen und andere Arten des Verstehens. Im chinesischen wird dies durch die vielen Bedeutungen, die die Zeichen bzw. Silben tragen noch multipliziert. So verwandelt sich der Text in ein szenisches Lautgedicht, gesprenkelt mit verketteten Mehrdeutigkeiten. (- „Mit taktischem Geschick den Tigerberg erobert“ / 智取威虎山) |
[ 喂! | Wèi | Hey! / Tiere füttern ]
一只虎上山 | Yì zhī hǔ shàng shān | Ein Tiger klettert auf den Berg 山上爬山虎 | Shān shàng pá shānhǔ | Auf den Berg ein Tiger klettert / auf dem Berg ist wilder Wein 老虎不吃菜 | Láohǔ bù chī cài | Tiger essen kein Gemüse 爬山虎吃虎 | Páshānhǔ chī hǔ | Tiger die auf den Berg klettern essen Tiger / Wilder Wein isst Tiger (Mang Cangcang/Cornelius Berkowitz) 两只老虎 | Liǎng zhī láohǔ | Zwei Tiger 跑得快 | pǎo dé kuài | sie laufen schnell 跑得慢 | Pǎo dé màn |sie laufen langsam 一只没有眼睛 | Yì zhī méiyǒu yǎnjīng | Einer hat kein(e) Auge(n) 一只没有尾巴 | Yì zhī méiyǒu wěibā | Einer hat keinen Schwanz 两只没有饭吃 | Liǎng zhī méiyǒu fànchī | Beide haben nichts zu essen 有没有 | Yǒu méi yǒu | Oder doch? 真奇怪 | zhēn qíguài | wie merkwürdig (chinesische Version von „Frère Jacques“ ergänzt von Cornelius Berkowitz) |